Yusef Lateef: Live At Ronnie Scott’s – Album Review

Ein genussvoller Mitschnitt des Weltmusik-Jazzers aus dem Jahre 1966

Yusef Lateef öffnete den Jazz Richtung Orient. Die Integration orientalischer, fernöstlicher und afrikanischer Klänge und Instrumente in seine Musik gab ihm Anfang/Mitte der 1960er Jahre ein Alleinstellungsmerkmal. Er habe schon Weltmusik gespielt, bevor es diesen Begriff überhaupt gegeben hat, beschrieb die New York Times den Verdienst von Lateef in einem Nachruf. Größen wie John Coltrane und Pharoah Sanders, Alice Coltrane und Don Cherry, McCoy Tyner und Archie Shepp verehrten ihn dafür. Seine Studioalben – vor allem Eastern Sounds und Psychicemotus – gelten als Meilensteine ihres Genres und erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit.

Jetzt veröffentlicht das englische Label Gearbox Records einen Live-Mitschnitt des US-Amerikaners aus dem legendären Ronnie Scott’s in London, das am 15. Januar 1966 mitgeschnitten wurde und bei dem Lateef von der dortigen Hausband mit Pianist Stan Tracey, Bassist Rick Laird und Drummer Bill Eyden begleitet wurde. Die Soundqualität ist mitunter dürftig. Es gibt ein leises Grundrauschen, Piano und Schlagzeug sind oft viel zu leise abgemischt. Dennoch ist das Album ein Genuss. Es ist diese bemerkenswerte Intensität, mit der Lateef sich durch dieses Set spielt, die den Hörer fesselt. Das wird schon im Opener „Angel Eyes“ deutlich. Lateef beginnt das Stück alleine mit der Flöte. Erst nach und nach steigen seine Begleiter mit ein. Lateef schielt mit seinen Soli nie auf Geschwindigkeitsrekorde oder Schönheitspreise. Sein Spiel ist spirituell, tief und warm. In den folgenden Stücken wechselt Lateef die Instrumente, spielt Querflöte, Shenai, Xun oder Tenorsaxophon.

Besonders imposant ist das asiatisch inspirierte „Song Of Delilah“, in dem Lateef seiner Holzflöte nie gehörte Töne entlockt. Auch das an Roland Kirk erinnernde „Last Night Blues“, mit Lateef an der Querflöte, ist ein Highlight dieses Mitschnitts. Am Ende weicht der Ernst etwas. In „Yusef’s Mood“ bittet der Leader zur Party. Mit Handclap und Jump-Blues-Begleitung reißt der Multiinstrumentalist aus Detroit das Publikum von den Sitzen und soliert sich in andere Sphären. Vor knapp drei Jahren ist Lateef im Alter von 93 Jahren gestorben. Mit ihm hat die Jazzwelt einen ihrer größten Innovatoren und Grenzgänger verloren. Die Wertschätzung für seine Arbeit ist nicht nur unter Experten riesig. „Live At Ronnie Scott’s“ wird dazu einen weiteren Beitrag leisten. Es ist das Dokument eines beseelten Virtuosen auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft.

Yusef Lateef : „Live At Ronnie Scott’s“ ist am 04.11.2016 bei Gearbox erschienen.

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